Für Walter Kohl definiert sich Erfolg nicht ausschließlich im wirtschaftlichen Sinn. Er macht nur Sinn, wenn er ergänzt wird durch ein stimmiges Privatleben und die eigene Sinnhaftigkeit.
Der Sohn von Altbundesklanzler Helmut Kohl teilte als junger Mensch sein Schicksal mit anderen Söhnen berühmter Männer. Doch im Gegensatz zu vielen von ihnen ist es ihm gelungen, aus dem dominanten Schatten des Vaters zu treten, den inneren Frieden mit seiner Biographie zu finden und die richtigen Schritte in ein eigenständiges und beruflich erfolgreiches Leben zu setzen.
Walter Kohl kann heute auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Er hielt etliche internationale Führungspositionen inne, gründete ein Unternehmen in der Automobil-Zulieferindustrie und ist seit 2011 als Coach und Redner begehrt. Überregionale Beachtung hat er auch mit seinen zahlreichen Büchern erlangt. In diesen geht es ihm wie in seinen Reden unter anderem darum, die verschiedenen Kraftquellen aufzuspüren, die es dem Unternehmer erlauben, seinen vielfältigen Aufgaben nachzukommen bzw. das Leben an sich erfolgreich zu organisieren.
Im Vorfeld des heurigen Tiroler Wirtschaftsforums, das business bestseller seit vielen Jahren organisiert, führte Ewald Oberthanner folgendes Gespräch mit Walter Kohl.
business bestseller: Herr Kohl, eine Ihrer Hauptforderungen besagt, dass man sein Leben selbst in die Hand nehmen muss. Wie weit ist das allerdings in einer vernetzten und von Abhängigkeiten geprägten Welt überhaupt machbar?
Walter Kohl: Mein Wort dafür heißt eigene Lebensgestaltung. Dabei verstehe ich Gestalten als einen kreativen Akt, als unsere Fähigkeit im Rahmen der eigenen Möglichkeiten und der jeweiligen Rahmenbedingungen verantwortungsbewusst und sinnhaft zu handeln. Sicher, wir leben in einer vernetzten Welt. Aber das heißt nicht, dass dieses Netz uns einsperrt oder versklavt, es heißt lediglich, dass wir im Rahmen dieser Realitäten zu eigenem Handeln aufgerufen sind. «Jede Zeit hat ihre eigenen Antworten», dieses Zitat von Willy Brandt hat für mich nach wie vor seine Richtigkeit, gerade auch in unserer heutigen globalisierten, vernetzten Zeit.
Sie sprechen oft von Kraftquellen für Unternehmer. Welche Quelle würden Sie einem Unternehmer, der den Erfolg sucht, besonders empfehlen?
Die wichtigsten Kraftquellen sind meiner Meinung nach unser innerer Friede mit unserer Biographie, also das Ja zu uns selbst sagen können, sowie ein Sinn, ein Wofür für unser Tun. Wenn wir Frieden mit unserer Vergangenheit und Sinn für unsere Zukunft haben, dann werden sich Kraft, Lebensfreude und somit Erfolg in der Gegenwart einstellen. Wobei ich Erfolg gesamtheitlich verstehe, nicht rein wirtschaftlich. Zu Erfolg gehört meiner Meinung nach auch ein stimmiges Privatleben sowie eine eigene Sinnhaftigkeit, zu der man gerade auch als Unternehmer öffentlich stehen kann.
Sie fordern unter anderem auch, dass die eigene Vergangenheit positiv zu nutzen sei. Was macht jemand, der darin überhaupt nicht Positives zu vermerken hat?
Ich kann mir nur schwer eine Biographie vorstellen in der «überhaupt nichts Positives zu vermerken» ist. Das Leben ist zum Glück fast nie nur Schwarz und Weiß, die häufigste Farbe ist Grau. Und hier setze ich an. Wenn es biographische Brüche gibt, also zum Beispiel Probleme mit den Eltern, eine Scheidung, ein berufliches Scheitern, was auch immer, dann steckt in diesem Schmerz auch eine enorme Energie. Ich plädiere dafür, diese Energie zunächst einmal anzunehmen, diesen Schmerz wahrzunehmen, nicht zu fliehen und in die Eigenreflektion zu gehen. Mit meinem Ansatz der fünf Schritte der Versöhnung kann dann ein Energiewandel, also eine neue Perspektive, eine neue Antwort gefunden und umgesetzt werden. Wir können die Vergangenheit, das alte Was nicht ändern, wohl aber unser Wie, das wie gehen wir mit dem alten Kraftfresser um. Wir haben die Freiheit alte Kraftfresser in neue Kraftquellen zu wandeln, also unsere neuen, eigenen Antworten zu geben.
Pater Anselm Grün und Walter Kohl stellten am 20. Oktober ihr neues Buch «Was uns wirklich trägt» im Literaturhaus München vor.
Sie sind ein erfolgreicher Unternehmer und haben gemeinsam mit einem Mönch gerade ein Buch über ein gelingendes Leben, wie sie es nennen, geschrieben. Was hat sie dazu bewogen, sich einen Co-Autor mit einem derart gegensätzlichen Lebensmuster zu suchen?
Pater Anselm Grün ist nicht nur Mönch, sondern wohl auch einer der erfolgreichsten lebenden deutschsprachigen Autoren mit einer Gesamtauflage von rund 15 Millionen verkauften Büchern in über 30 Sprachen. Es ist für mich eine große Ehre, dass er mich bat mit ihm zusammen ein Buch über einige zentrale Lebensthemen zu schreiben. Sicher, es scheint, dass wir auf den ersten Blick grundverschieden sind. Aber, bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass auch Menschen mit vermeintlich sehr unterschiedlichen Lebenswegen zu gemeinsamen Aussagen über Themen wie Erfolg, Scheitern, Liebe, Herkunft, Heimat, Umgang mit Ängsten oder den Sinn des Lebens kommen können. Lebensgestaltung – mein zentrales Thema – hat sehr viel mit Erfahrung und dem Austausch mit anderen Menschen zu tun. Und von wem könnte man mehr lernen als von Pater Anselm?
Der Begriff der Versöhnung zieht sich wie ein Leitgedanke durch Ihre Arbeit. Kann man das Versöhnen, ob mit Menschen oder Schicksalen, als eine Grundvoraussetzung für ein erfülltes Leben betrachten?
Ich würde es eher als eine große Hilfe, als eine zusätzliche Option zur eigenen Lebensgestaltung bezeichnen. Neben den klassischen Krisenreaktionsmustern Kampf, Flucht oder Sich-weiter-im-Kreis-Drehen, schenkt uns der Weg der Versöhnung die große Chance alte Belastungen in neue Energie zu wandeln. Daher verstehe ich Versöhnung, besonders die einseitige Versöhnung, als Chance, als Geschenk, das wir nicht leichtfertig aus den Händen geben sollten.
Sie sind der Sohn eines berühmten Vaters und sind aus eigener Kraft erfolgreich geworden. Haben es Kinder prominenter Eltern im Leben schwerer?
Das hängt vom Einzelfall ab, das sollte man daher nicht pauschal beantworten. In meinem Fall war es lange Jahre sehr schwer, eine eigene Wahrnehmung meiner Person im Außenverhältnis aufzubauen. Immer wieder erlebte und erlebe ich Urteile, Vorurteile und Schubladendenken, auch Diskriminierung und Gewalt. Lange konnte ich nur schwer damit umgehen. Um aus dieser alten Ecke herauszukommen, musste ich also eine neue Antwort für mich selbst finden. Erst durch eine bewusste Versöhnung mit meinem alten Kraftfresser, gefühlt «nur der Sohn vom Kohl zu sein», konnte ich meinen neuen Lebensweg beginnen. Heute ist mein Verständnis: Ich bin «auch der Sohn vom Kohl», denn ich bin noch viel mehr. Ich bin Vater, Stiefvater, Ehemann, Bruder, Unternehmer, Autor, Referent, Coach. Sie sehen, wie nur der Wechsel eines Wortes in unserem Selbstverständnis eine komplette Veränderung der eigenen Lebensausrichtung bewirken kann, einen echten Energiewandel eben. Darin liegen für mich die Macht der Versöhnung und die Kraftquelle des inneren Friedens.
Foto: Martin Hangen/Hangenfoto