Die Industriegasindustrie, obwohl bereits über 100 Jahre alt, ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Dabei sind ihre Produkte (viele davon Bestandteile der Luft wie Sauerstoff oder Stickstoff, aber auch Kohlendioxid, Wasserstoff oder Helium) fundamental für fast jeden Produktionsprozess der modernen Welt und spielen eine zentrale Rolle in vielen Dienstleistungsbereichen.
Ideales Studienobjekt
Dieses Buch aus der Linde Wissensbibliothek erzählt zum ersten Mal die spannende Geschichte dieser «unsichtbaren Industrie» von ihren Anfängen im Jahr 1880, als die Brüder Brin ein Verfahren zur Herstellung von Sauerstoff patentieren ließen. Neben der Brin’s Oxygen Company (heute BOC) zählt Carl von Linde mit seinen 1895 patentierten Verfahren zur Luftverflüssigung und -trennung als Pionier auf diesem Gebiet; ebenso wie der Franzose Georges Claude, der kurz nach Linde mit einem alternativen Verfahren den Grundstein für den dritten großen «Player» der Branche, Air Liquide, legte.
Was dieses Werk abgesehen von den historischen, technologischen, industriellen und internationalen Dimensionen so interessant macht, ist die Tatsache, dass der Industriegasindustrie relativ wenige Unternehmen angehören und die Mehrheit davon bereits einen «wirklich langen Zeitraum Bestand hatte», wie die Autoren in ihrer Vorbemerkung feststellen. Deshalb biete diese Branche, «eine gute Möglichkeit, das Kräftespiel zwischen Wettbewerb und Kooperation, zwischen organisatorischem Experimentieren und Konsolidieren und zwischen technologischer Entwicklung und Innovation für einen langen Zeitraum zu rekonstruieren».
Einen Markt für das Produkt schaffen
Ähnlich wie bei der Elektrizität damals ging es auch bei den Industriegasen anfangs vor allem darum, Anwendungsmöglichkeiten zu finden und so überhaupt erst einen Markt für das Produkt zu schaffen. Wissenschaftliche Forschung und Innovation war für beide Branchen eine wesentliche Voraussetzung. Deshalb unterhielten Unternehmen nicht nur enge Kontakte zu Universitäten, sondern gingen früh dazu über, eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen aufzubauen. Charakteristisch für das «typische Industriegasunternehmen» ist aber nicht das Produkt, sondern vielmehr die Kombination aus Produkt, Kundenservice und Logistik – nicht nur wegen des nötigen Spezialwissens bei Handhabung, Lagerung und Transport von Flüssiggasen, sondern vor allem deshalb, weil ihr Transport über mehr als 400 km (vor 1940 sogar noch weniger) unrentabel ist.
Eine spannende, wissenschaftlich fundierte Untersuchung einer wenig bekannten Schlüsselindustrie.