Von der hohen Kunst des Nicht-Handelns


Obwohl vor exakt einem Jahr bereits erschienen, zählt das Buch «Die Stein-Strategie» von Holm Friebe zu den Büchern, die sich auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte immer wieder zu lesen lohnen wird. Der Volkswirt, Designprofessor und erfolgreiche Sachbuchautor widmet sich über 200 Seiten lang der hohen «Kunst, nicht zu handeln». Eine Option, die «in den Strukturen und Systemen, in denen wir stecken, allzu oft ausgeblendet und hinweggefegt wird von der allgemeinen Drift zum Aktionistischen», merkt der Autor an. Vermutlich weil der bedächtig Abwartende niemals Lob und Lorbeeren ernte, während dem zupackenden Macher die Welt gehöre.

Kulturgeschiche des Nicht-Handelns
Bereits im Inhaltsverzeichnis wird sichtbar, wie tiefschürfend sich Friebe dem Thema nähert, wenn er das Nicht-Handeln ausdifferenziert in Liegen-Bleiben, Ruhe-Bewahren, Sturstellen, das lauten Schweigen und das Bleiben-Lassen.
Friebes Buch ist weniger ein Ratgeber, wenngleich sich viele gute Ratschläge aus ihm gewinnen lassen, als eine philosophisch angehauchte Kulturgeschichte des Nicht-Handelns, die sich anhand vieler anschaulicher Beispiele von der Antike bis in die Gegenwart spannt, von der Politik bis ins Privatleben, von der Spieltheorie bis zur Kriegsführung. Unterhaltsam und gespickt mit zahlreichen Anekdoten und Querverweisen zeigt Friebe, dass das, was heute gerne als strategisch, tatkräftig, pro-aktiv oder innovativ gepriesen wird, häufig die schlechtere Alternative darstellt verglichen mit dem weniger populären geduldigen Abwarten, Abwägen oder Aussitzen.

Produktivitätszuwächse fraglich
Einem spannenden Punkt spürt Friebe auf den letzten Seiten seines Buches nach: nämlich dem Umstand, dass es zum Wesen heutiger Wissensarbeit gehöre, dass – im Gegensatz zur Industriearbeit – kein linearer Zusammenhang mehr zwischen Input und Output existiere. Die eigentlich wertschöpfende Arbeit finde heute in wenigen «Handlungsepisoden» pro Arbeitstag statt. Der Rest sei «Beiwerk, Garnitur, Folklore und kommunikatives Rauschen».

Kein Loblied auf die Faulheit
Friebe will sein Buch allerdings nicht missverstanden sehen als Loblied auf Faulheit oder Müßiggang. «Das Unterlassen als Strategie setzt voraus, dass man immer auch handeln könnte und sich bewusst dagegen entscheidet», betont er. Und warum Stein-Strategie? – Steine seien «ihrem Wesen nach grundsolide», erklärt der Autor, «sie denken in langen Zeiträumen und der schnelle Vorteil ist nicht ihr Geschäftsmodell». Die Stein-Strategie demnach als Programm innerer Beständigkeit und langfristiger Überlegenheit, als Variation von «in der Ruhe liegt die Kraft».

Foto: LoloStock/Fotolia.com

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