In einer Gesellschaft, in der TV-Formate und Hochglanzmagazine den Ton angeben und Ziele definieren, richtet sich der Fokus automatisch auf das Fehlerfreie und Perfekte. Die täglichen Werbebotschaften einer auf steigenden Umsatz ausgerichteten Industrie tragen zudem das Ihre dazu bei, dass diese Botschaften mit dem ultimativen Glück gleichgesetzt werden.
Dabei wird geflissentlich außer Acht gelassen, dass die Vorstellungen von einem glücklichen Leben ebenso verschieden sind wie die Menschen selbst und dass sich die formulierten Ziele außerhalb jeglicher realistischer Einschätzung befinden. Der Gesunde ist sich dessen bewusst, der Perfektionist aber zerbricht daran.
Zwischen Schein und Realität
Für Raphael M. Bonelli liegt die Wurzel aller Probleme in einem grundlegenden Missverständnis von Ist, Soll und Muss. Ob der Patient sich den Druck selbst macht oder ob er ihm von außen auferlegt wird, ist in diesem Zusammenhang belanglos.
Es läuft immer darauf hinaus, dass der Perfektionist einen erstrebenswerten Zustand, eine Utopie oder ein Ideal nicht als Richtungsweiser versteht, sondern als einen unbedingt zu erreichenden Zustand. Da aber nicht jeder ein Mozart oder ein Sebastian Vettel sein kann und sich nicht jede Frau an die Modelmaße heranhungern kann, muss jegliches Bemühen in Frustration und Bitterkeit enden.
Die Folgen eines derart perfektionistischen Strebens sind heute in verschiedenen Formen sichtbar. Sie reichen von Essstörungen und Wahnvorstellungen über Burn-out und Depressionen bis zu verlorenen Kindheiten und zerrütteten Ehen.
Wege aus der Krise
Die Heilung von Perfektionismus stößt auf zweierlei Widerstände. Zum einen wird er von der Gesellschaft gerne verziehen oder gar mit dem Attribut «ehrenwert» in Verbindung gebracht, zum anderen ist sich der Betroffene seiner Krankheit gar nicht bewusst.
Dass er sich folglich beratungsresistent verhält, gehört leider zum Krankheitsbild. Umso mehr ist bei seiner Heilung die kompetente Begleitung eines Psychotherapeuten unerlässlich. Dieser kann den Betroffenen an das Tor zu einem erfüllten und zufriedenen Leben heranführen, den letzten Schritt allerdings, den Schritt durch das Tor, muss dieser alleine tun.
Dass dies möglich ist, belegt der Autor mit einem Griff in seine Patientenkartei. 77 anonymisierte, aber reale Patientengeschichten, in denen die Betroffenen teilweise selbst zu Wort kommen, beweisen, dass selbst ausweglos scheinende Situationen kein schicksalhafter Dauerzustand sein müssen.