Innovation an der Spitze


Als Tom Peters IDEO zum ersten Mal besuchte, bemerkte er sofort die Stärken des Unternehmens. Er hatte eine der Wiegen der Innovation gefunden und war derart begeistert, dass er sich sogar vorstellen konnte, für IDEO zu arbeiten.

Wie so viele Unternehmen im Silicon Valley begann auch David Kelley mit einer kleinen Gruppe eingeschworener Freunde. Sie stellten sich die Frage, was Unternehmen dazu bewegt, die Produktentwicklung auszulagern.
Die Kapazität der Unternehmen im Bereich der Entwicklung war damals der wichtigste Grund für das Outsourcing dieser lebenswichtigen Funktion des Unternehmens. Die fehlende Fähigkeit, enge Termine zu halten, und die fehlende Sachkenntnis waren weitere Gründe. Nur an vierter Stelle der Gründe für Outsourcing stand die Innovation selbst.
Dieses Bild hat sich mittlerweile geändert. Die Innovation ist längst vom vierten auf den ersten Platz dieser Reihung vorgestoßen. Sie gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Unternehmensstrategien und -initiativen. Innovation ist die vorrangige Aufgabe des Unternehmens.
IDEO machte sich diese Schwerpunktverlagerung in den letzten zehn Jahren zu nutze. Mehr als 3.000 Entwicklungsprogramme wurden für die Kunden gestaltet. Dabei kamen so bekannte Produkte wie die Apple Maus oder der Palm V heraus.
Was aber macht IDEO zu einem besonderen Unternehmen? Es bearbeitet sowohl praktische Innovationsprojekte als auch Aufträge zur Beratung. IDEO betreibt also im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen der Branche praktische Innovationsarbeit. Dementsprechend vielfältig sind auch die lobenden Worte in internationalen Spitzenmedien, wie dem Wall Street Journal, Fortune oder der Business Week.
Der IDEO-Weg zur Innovation ist eine Mischung verschiedener Disziplinen, ähnlich einem Zehnkampf. Dementsprechend gilt es, in einigen wenigen Disziplinen herausragende Leistungen zu erbringen und in vielen stark zu sein. Es zählt das Gesamtergebnis.

Verrücktheit mit Methode

Die Kombination der Ergebnisse geschieht in einem eher chaotisch anmutenden Umfeld, in einem lauten Treiben vieler verspielter Mitarbeiter. Fünf grundlegende Schritte prägen die tägliche Innovationsarbeit:

    1. Verstehe den Markt, die Klienten, die Technologie und die Beschränkungen, denen du bei der Bewältigung der Aufgabe unterworfen bist. Es gilt also, zu verstehen, welche Grenzen die Betroffenen, bei IDEO die Auftraggeber, für unüberwindlich halten.
    2. Beobachte wirkliche Menschen in realen Situationen, um herauszufinden, was sie bewegt. Was verwirrt sie, was gefällt ihnen, was weckt ihre Abneigung, welche ihrer Bedürfnisse werden von bestehenden Produkten nicht befriedigt.
    3. Visualisiere neuartige Konzepte und die Kunden für die entsprechenden Produkte. Hier werden Simulationen erstellt, aber auch Prototypen des neuen Produkts. Auch Szenarios und Interpretationen werden herangezogen, um die Kundenerfahrung zu visualisieren.
    4. Bewerte und vervollkommne die Prototypen in rasch aufeinander folgenden Wiederholungen. IDEO vermeidet zu starke Bindungen an die ersten Prototypen einer Entwicklung. Es wird von vorne herein eine Reihe von Verbesserungen vorgesehen.
    5. Implementiere das neue Konzept für die Kommerzialisierung.

Innovation vor Publikum und ohne Netz

Die Effektivität dieser Schritte bewies IDEO auch vor Publikum und ohne Netz. Der Fernsehsender ABC fragte bei IDEO an, ob es möglich wäre, die Methode zur Entwicklung erfolgreicher Produkte in ein für das Fernsehen geeignetes Format zu bringen. Innerhalb von einer Woche sollte ein altbekanntes Produkt, der Einkaufswagen, komplett neu entwickelt werden. Das seit langer Zeit unveränderte Produkt eröffnete im Rahmen des Prozesses zahlreiche neue Gestaltungsmöglichkeiten. Aus unerklärlichen Gründen galt für diesen Gegenstand eine «Innovationsblockade».
Die Phase «Verstehe» und «Beobachte» wurde in einem Tag erledigt. In einem nahegelegenen Supermarkt studierten die Teammitglieder das Verhalten der Menschen beim Einkauf. Sie bemerkten Sicherheitsprobleme und sahen Eltern, die sich mit Kleinkindern herumplagten. Sie beobachteten Staus und verschiedene Optimierungen der Einkaufsprozesse.
Aus dieser Phase wurden drei Ziele abgeleitet: zunächst sollte der Einkaufswagen kindgerecht gestaltet werden, dann ein effizienteres Einkaufssystem entwickelt und schließlich die Räder modernisiert werden.
In der am zweiten Tag folgenden Brainstorming-Phase wurde eine Vielzahl unkonventioneller Ideen entwickelt. Eine Sichtblende zum Schutz der Intimsphäre der Kunden für den Einkauf von Kondomen oder Kindersitze mit dazu passenden Windeln und Klettverschluss, um widerborstige Windelkinder zu fixieren, waren nur zwei schräge Vorschläge.
Aus den hunderten verrückten Ideen dieser Phase wurden dann einige «coole Ideen» für die weitere Entwicklung ausgewählt. In der darauf folgenden Prototyping-Phase wurden Modelle gebaut, die Annehmlichkeit, Sicherheit, Abfertigung und Suche nach den gewünschten Artikeln verbinden.
Diese Phase hatte einen extrem engen Termin und konnte nur aufgrund des Einsatzes eines «hot-teams» erfolgreich abgeschlossen werden. Dieses Team setzte ungeahnte Energien frei und schuf ein vollkommen neues Design für einen Einkaufswagen. Am Morgen des fünften Tages wurde dann das fertige Modell live im Fernsehen präsentiert.
Nicht nur ABC war vom Ergebnis begeistert – auch potenzielle Kunden bombardierten IDEO mit Anfragen. Dabei stand nicht nur das neue Modell im Vordergrund, sondern vielmehr auch die IDEO-Methode selbst. Für IDEO war es unverständlich, dass bisher niemand einen annähernd funktionalen Einkaufswagen entwickelt hatte.

Zusammenarbeit mit Apple

Der Erfolg von IDEO beruht auf einer kreativen Kultur, auf einem alles durchdringenden kulturellen Einfluss. Man nutzt die Kreativität der Mitarbeiter in effizienter Weise. Mit der Methode des Brainstorming sorgt man dafür, dass die einzelnen Mitarbeiter nicht zu viel Zeit mit der Lösung vertrackter Probleme verlieren, wenn ihnen das kollektive Wissen in kurzer Zeit zur Lösung verhelfen kann.
Ein wesentlicher Meilenstein für IDEO und die Entwicklung der Methode war auch die Zusammenarbeit mit Apple. Schon in der ersten Phase kam David Kelley mit Steve Jobs zusammen. Jobs machte sich damals gerade an die Umsetzung seiner Vision der «Demokratisierung des Computers» und bat IDEO, ihm bei der Gestaltung des Computermodells Lisa (Vorläufer des Mac) zu helfen. Teil dieser Entwicklung sollte eine Maus sein, die für die Steuerung der innovativen graphischen Schnittstelle benötigt wurde.
Das unerschütterliche Selbstvertrauen Apples färbte in der Zusammenarbeit auf IDEO ab. Der ungezwungene Stil und die Innovationsfreude vermittelten den Eindruck, Apple und seine Partner könnten es mit jeder Herausforderung aufnehmen. David Kelley lernte, dass er eine Atmosphäre schaffen musste, in der ungezwungene Ideen beim Schopf gepackt und Probleme gelöst wurden.
Eine ähnlich revolutionäre Entwicklung wurde Jahre später in Form des Duo-Docks realisiert. Apple wollte einen tragbaren Computer auf den Markt bringen, der problemlos an einen herkömmlichen Bildschirm und eine normale Tastatur angeschlossen werden konnte. Dabei wollte man nicht auf eine mechanische Dockingstation zurückgreifen. Vielmehr war eine innovative Lösung gesucht, die perfekt zur graphischen Schnittstelle eines Mac passen sollte. Dabei orientierte man sich an der Vorstellung eines kleinen Kindes, das bei laufendem Fernseher ein Video einlegte. Die Zeichentrickfilme sollten sich automatisch einschalten. Ähnlich verspielt sollte auch das neue Dock sein. Nach anfänglicher Skepsis und vielen Prototypen waren die Leute bei Apple begeistert.
Damit werden auch die Vorteile wiederholter Verbesserungsschritte offensichtlich: Wenn man mit Energie und Begeisterung einen Prototyp nach dem anderen baut, hat man gute Chancen, auf genau das Merkmal oder Produkt zu stoßen, das den Kunden überzeugen wird.

Zauberkasten der Innovation

Das IDEO Innovationsbuch bietet einen Zauberkasten der Innovation. Es zeigt die Verbindung vielfältiger altbekannter Methoden zu einem «Innovationszehnkampf» an Hand von Fallstudien allseits bekannter Produkte. Von der Apple-Maus über den Einkaufswagen bis hin zu komplexen medizintechnischen Produkten bewies IDEO die Praktikabilität und Effektivität seiner Methode.

Mit diesem Buch erfüllt IDEO den Wunsch vieler Kunden, die Methode kennenzulernen. Um sie zu erlernen, reicht es jedoch nicht, wenn man nur die Schritte nachvollzieht. Vielmehr gilt es, die dahinter liegende Kultur zu verstehen. Das Buch bietet Praktikern Anhaltspunkte, wie man diese Rahmenbedingungen schaffen kann. Ein Muss für Innovationsmanager.

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